British Guiana – die teuerste Briefmarke der Welt

Im philatelistischen Universum existieren zahlreiche Raritäten, doch kein Sammlerstück erreicht den legendären Status der British Guiana. Der "heilige Gral" der Briefmarkenwelt hat in 166 Jahren eine unglaubliche Geschichte und zwölf Besitzer durchlebt - vom einfachen Schuljungen bis zum mörderischen Millionär.
Inhaltsübersicht

8,3 Millionen Dollar für 40 Milligramm

Die „British Guiana 1c Magenta“ gilt als die teuerste einzelne Briefmarke der Welt. Zuletzt im Juni 2021 bei Sotheby’s für 8,3 Millionen Dollar versteigert, bricht sie seit Jahrzehnten den Rekord der wertvollsten Briefmarke und erreichte auf ihrer vorherigen Auktion im Jahr 2014 sogar 9,5 Millionen Dollar.

Der Grund für diese gigantischen Summen: Von dem magentafarbenen, 1856 erstmals gestempelten Ausnahmestück mit schwarzer Bedruckung existiert weltweit nur ein bekanntes Exemplar, das seit 2021 im Besitz des Londoner Briefmarken-Unternehmens Stanley Gibbons ist.

Die Frage, ob sich irgendwo auf der Erde noch ein zweites Stück versteckt, ist umstritten und entfacht seit dem frühen 20. Jahrhundert erbitterten Streit. Nach allen heutigen Informationen ist die British Guiana jedoch die seltenste Briefmarke aller Zeiten. Und noch ein spannender Rekord gebührt dem Unikat: Da es nur 40 Milligramm auf die Waage bringt, ist das achteckig zugeschnittene Stück Papier aufs Gewicht gerechnet das wertvollste Objekt der Welt. „Ein Gramm British Guiana“ würde nach aktuellem Auktionspreis 207,5 Millionen Dollar kosten.

Verschmutzt und verblichen: Wie sieht die British Guiana aus?

Kein Diamant der Erde erreicht auch nur annährend diese preislichen Dimensionen. Ästhetisch ist die British Guiana denkbar weit von einem funkelnden Edelstein entfernt: Über 16 Dekaden Geschichte haben ihre Spuren hinterlassen, was vor allem an der starken Ausbleichung zu erkennen ist.

Quelle: Wikipedia.org – Unterschied: Original (links) und Originalgetreuer Nachdruck (rechts)

Schrift und Motiv befinden am Rande der Unlesbarkeit, der einst leuchtende Magentaton ist zu einem blassen Rosa mutiert und die Verschmutzung ist stark. Dennoch wissen wir exakt, was auf dem Unikat zu sehen sein soll: Im Zentrum befindet sich ein Segelschiff, umgeben von der lateinischen Inschrift „Damus Petimus Que Vicissim“ (zu deutsch: „Wir geben und nehmen im Wechsel“), welche ihrerzeit den Wahlspruch Britisch-Guayanas darstellt.

Von 1831 bis 1966 ist das südamerikanische Land eine Kolonie Großbritanniens, bevor es den eigenständigen Staat Guyana bildet. Vier dünne Linien umrahmen Motiv und Inschrift. Außerhalb des Rahmens ist neben dem Ausgabeland „Guiana“ der Nominalwert von einem Cent aufgedruckt.

Hinzu kommen als Sicherheitsmerkmal gegen Fälschung der Federzug „EDW“ des Postbeamten Edmond D. Wight sowie der Poststempel „DEMERARA AP 4 1856“. Die Ausmaße ähneln einem Fingerabdruck: 3,2 Zentimeter Höhe und 2,5 Zentimeter Breite.

Entstehungsgeschichte: Warum existiert nur ein Exemplar der British Guiana?

Die Herkunft der Briefmarke führt uns direkt zur entscheidenden Frage: Warum ist die British Guiana heutzutage ein Unikat? Die unschlagbare Seltenheit des Sammlerstücks ist mit seiner außergewöhnlichen Entstehungsgeschichte verknüpft, die als Drehbuch eines Hollywood-Films fungieren könnte.

Zunächst die Rahmenhandlung: Wir schreiben das Jahr 1850.
In Britisch-Guayana werden die ersten Briefmarken provisorisch von der Zeitungsdruckerei „Royal Gazette“ in der Kolonialhauptstadt Georgetown hergestellt. Um ein professionelleres Design mit höherer Sicherheit umzusetzen, wird die Londoner Druckerei Waterlow and Sons mit einer Neugestaltung beauftragt und wählt aufgrund ihrer Unerfahrenheit im Briefmarkendruck ein simples Design: Ein dreimastiges Segelschiff und den Wahlspruch Britisch-Guayanas.

Da die Briefmarken nur für den inländischen Gebrauch in der Kolonie bestimmt sind, genügen zwei Werte: 1 Cent und 4 Cent. Ab 1852 werden die Waterlow-Entwürfe herausgegeben; 1 Cent wird auf Magenta gedruckt, 4 Cent auf dunkelblaues Papier.

In den folgenden Jahren zeichnet sich ein entscheidendes Problem ab: Die lokalen Poststellenleiter, welche für die rechtzeitige Nachbeschaffung von Briefmarken aus dem Vereinigten Königreich verantwortlich sind, sichern wiederholt keine ausreichenden Vorräte, sodass 1856 die erste Briefmarken-Knappheit in der Kolonie aufkommt.

Nur zehn Prozent der erwarteten Lieferung erreichen Britisch-Guayana. Der verantwortliche Postleiter E. T. E. Dalton improvisiert, indem er die „Royal Gazette“ (welche inzwischen in „Official Gazette“ umbenannt ist) mit der Produktion übergangsweiser Briefmarken beauftragt.

Doch statt den vorherigen Entwurf zu übernehmen, drucken die Zeitungsherausgeber Joseph Baum und William Dallas ein selbst entworfenes Schiff auf die Marken. Zur Sicherheit gegen Fälschungen weist Dalton die Postbeamten an, jede Briefmarke zu signieren (1 Cent und 4 Cent). Drei zusätzliche Faktoren erklären, warum die British Guiana 1 Cent zu ihrer unfassbaren Rarität gelangt ist:

  • Die Briefmarken dieser Notlösung werden lediglich acht Wochen produziert und anschließend zurückgezogen.
  • Der kleine Nominalwert von einem Cent genügt im Gegensatz zur gebräuchlicheren 4-Cent-Denomination nur, um die Kosten des lokalen Zeitungsversands in Britisch-Guayana zu decken. Folglich werden die meisten Exemplare schon kurz nach Gebrauch vernichtet.
  • Die vier Ecken der Marke sind abgeschnitten, was ein besonderes Merkmal der Provisorien von 1856 darstellt.

Eine Odyssee durch die Welt: Wem hat die British Guiana gehört?

Vermutlich wären alle Exemplare der British Guiana 1c magenta verschwunden, hätte 1873 nicht der 12-jährige Schuljunge L. Vernon Vaughan das heute erhaltene Stück zwischen einigen Familienpapieren gefunden.

Der in Guyana lebende Vaughan weicht die Briefmarke auf, steckt sie in seine Sammlung und verkauft sie kurze Zeit später für einen Taschengeldpreis von sechs Schilling an den örtlichen Sammler Neil R. McKinnon, der sie 1878 wiederum an den Liverpooler Briefmarkenhändler Thomas Ridpath veräußert. Letzterer überlässt sie für 150 Pfund dem französischen Briefmarkensammler Philip Ferrari de La Renotière, dessen philatelistische Kollektion bis heute als die großartigste aller Zeiten gilt.

Als Ferraris Schätze nach seinem Tod 1922 unter den Hammer geraten, wird die Welt Zeuge eines unbarmherzigen Bieterkampfs, in dem sogar König George V. mitmischt – und verliert. Den Zuschlag für 7.343 Pfund bekommt der amerikanische Multimillionär Arthur Hind, dessen Rekordgebot der British Guiana unsterblich macht. Fortan gilt sie als wertvollste und seltenste Briefmarke überhaupt.

Der Wert der British Guiana steigt nahezu exponentiell. 1970 wird sie in New York für 280.000 Dollar von einem Investment-Konsortium unter Briefmarkenhändler Irwin Weinberg erworben, der sie im folgenden Jahrzehnt auf einer weltweiten Tour der Öffentlichkeit präsentiert.

1980 erwirbt John E. du Pont, Erbe des gleichnamigen Chemie-Imperiums, die Marke für satte 935.000 Dollar und macht die British Guiana erneut zur teuersten Briefmarke der Welt.

Nachdem Du Pont im Jahr 1997 für den Mord an seinem Freund, dem Olympiagold-Gewinner David Schultz, verurteilt wird und 2010 im Gefängnis stirbt, wird die British Guiana am 17. Juni 2014 bei Sotheby’s in New York für ihren bisherigen Rekordpreis von 9.480.000 Dollar an den Schuhdesigner Stuart Weitzman versteigert. Die Auktion dauert nur zwei Minuten und ist die vierte Versteigerung, auf der die British Guiana den Weltrekord für die teuerste Einzel-Briefmarke aller Zeiten knackt. Weitzmans Unterschrift zeigt eine Strichzeichnung eines Stöckelschuhs.

Entgegen aller Prognosen landet das Sammlerstück bei seiner erneuten Versteigerung 2021 zwar nicht im zweistelligen Millionenbereich, hält den Mythos der teuersten Briefmarke mit 8,3 Millionen Dollar jedoch am Leben. Käufer ist das Londoner Briefmarken-Handelsunternehmen Stanley Gibbons.

Für alle zu bewundern – und zu erwerben

Seitdem ist der Kult um die wertvollste Briefmarke unseres Globus lebendiger als je zuvor. Nicht nur vertreibt Stanley Gibbons Merchandise-Artikel wie beispielsweise Schlüsselanhänger in magentafarbener Oktagon-Form, sondern erlaubt auch die temporäre Besichtigung der Original-Briefmarke in seiner Londoner Firmenzentrale.

Quelle: Wikipedia.org – Informationsstand von Stanley Gibbons mit Merchandise-Artikeln
Daneben hat sich das Unternehmen zu einem bisher einzigartigen Schritt entschieden:
Über die Firma Showpiece können Normalsterbliche Anteile an der British Guiana kaufen – nach demselben Prinzip, wie auch Aktien an Unternehmen erworben werden. Der Gesamtwert der Briefmarke ist hierbei in 80.000 gleichwertige Anteile gesplittet, von denen Stanley Gibbons 51 Prozent auf dem freien Markt verkaufen möchte. Liebhaber müssen derzeit (November 2022) rund 110 bis 120 Euro pro Anteil bezahlen.

Neben dem majestätischen Gefühl, ein Stück der British Guiana zu besitzen, das bei vielen Philatelisten Gänsehaut auslösen dürfte, ist der Kauf mit zahlreichen Vorteilen verbunden.

Interessenten erwerben ein juristisches Eigentumsrecht inklusive Besitzurkunde, profitieren anteilig von etwaigen Erlösen und kaufen – analog zur Aktiengesellschaft – sogar Stimmrechte. Will man die imaginären „Briefmarken“ verkaufen, den Besitz übertragen oder verschenken, existieren ebenfalls Lösungen.

Größere Investoren erlangen zusätzliche Vorteile: Ab zehn Anteilen gibt’s eine physische Besitzurkunde, ab 100 Stücken eine exklusive Nachbildung der Briefmarke und ab 250 „Aktien“ eine private Besichtigung des Originals mit einem Experten von Stanley Gibbons.

Welche Briefmarken folgen auf Platz 2 und Platz 3 der Weltrangliste?

Platz 2

An dieser Stelle möchten wir nochmals betonen, dass die British Guiana die teuerste Einzel-Briefmarke der Welt ist, jedoch nicht das wertvollste philatelistische Objekt. Letzteren Titel besitzt momentan ein Viererblock der chinesischen „Red Revenue“ aus der Qing-Dynastie, dessen Briefmarken-Wertermittlung zuletzt 2009 bei einem anonymen Handel erfolgte: 17,4 Millionen Dollar (inflationsbereinigt heute: ca. 21,5 Mio.).

Blicken wir in die Rekordliste der wertvollsten Einzel-Briefmarken, so folgt nach der British Guiana die US-amerikanische „Benjamin Franklin Z-Grill“ aus dem Jahr 1868: Ebenfalls mit einem Nominalwert von einem Cent versehen, zeichnet sich das blaue Postwertzeichen durch eine Waffeleinpressung („grill“) gegen eine nochmalige Verwendung aus und existiert weltweit zwei Mal. Eines der Exemplare wird in der New York Public Library aufbewahrt, die zweite Z-Grill erwirbt im Jahr 1998 der Philatelist Donald Sundman für 935.000 Dollar. 2005 tauscht er sie mit dem Investor Bill Gross gegen einen Viererblock von Inverted Jennies im Wert von 2.970.000 Dollar ein (heute: ca. 4,2 Mio.).

Platz 3

Auch die Bronzemedaille der teuersten Einzel-Briefmarken hat es in sich: Der schwedische Tre-Skilling-Banco-Fehldruck aus dem Jahr 1855 zählt zur ersten Briefmarkenserie der skandinavischen Nation und wurde nicht im vorgesehenen Grünton seines Drei-Schilling-Nominalwertes gedruckt, sondern im Gelb der Acht-Schilling-Briefmarke.

Wie im Falle der British Guiana, existiert heute nur noch ein bekanntes Exemplar, dessen Briefmarken-Wertermittlung kein Kinderspiel ist. Denn auf den letzten offiziellen Verkauf im Jahr 1996 für 2,3 Millionen Dollar (heute: ca. 4 Mio.) folgen zwei anonyme Veräußerungen in den Jahren 2010 und 2013, deren Preise und Besitzer gleichermaßen unter Verschluss gehalten werden. Theoretisch könnte der Tre-Skilling-Banco-Fehldruck also teurer sein als die British Guiana.

Sollte sich der Besitzer eines Tages entschließen, seine Briefmarken zu verkaufen, könnte die Wahrheit ans Licht kommen. Bis dahin ist der Weltrekordhalter jedoch blass-rosa und verweilt am 399 Strand in London.

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